Ein Bericht von Sergej Golowin, Oktober 2011
Im Oktober 2011 reisten mein Vater, Erik Golowin, Aklilu Jinga und ich für mehrere Wochen nach Addis Abeba. Im Rahmen des Programms vom Verein «Sport-The Bridge» leisteten wir gemeinsam einen Facheinsatz mit Kampfkunstunterricht.
Disziplin, Kraft und mentale Stabilität sind erstrebenswerte Eigenschaften für die Menschen aller Kulturen. Das Programm von «Sport – The Bridge» umfasst verschiedene Sportarten, welche den Strassenkindern Äthiopiens helfen sollen, sich diese Eigenschaften anzueignen. Das Ziel ist ihre Wiedereingliederung in die Familie. Seit dem ersten Projektjahr (2005) sind Trainingselemente der Kampfkunst fester Bestandteil des Ausbildungskonzepts.
Die äthiopische Leitung von «Sport – The Bridge» hat anfangs Jahr beschlossen, ihr Angebot und ihren Wirkungsbereich zu erweitern. Einerseits soll die bestehende Nachbetreuung über das Klubsystem verbessert werden und andererseits ist geplant, Prävention als neuen Bereich aufzubauen. Zusammen mit Fussball ist Kampfkunst bei dieser Erweiterung ein ideales Instrument. «Sport – The Bridge» wird einen Karateklub gründen und als Mitglied in den Äthiopischen Karateverband eintreten. Auf diese Weise können Kinder, die das Programm absolviert haben, als Mitglieder des Klubs weiter trainieren und an offiziellen Wettkämpfen teilnehmen. So bleibt der Kontakt zu ihnen erhalten und es entsteht ein tragfähiges Netzwerk, das den Prozess ihrer Integration langfristig unterstützt.
Während unseres einmonatigen Aufenthalts haben Aklilu und ich intensive Aufbauarbeit in die künftigen Kader des «Sport – The Bridge»-Klubs investiert. Der Aufenthalt von Erik beschränkte sich auf zwei Wochen. Er leitete die von uns gemeinsam durchgeführten Vorbereitungstrainings für die Gurtprüfungen im Karate. Diese fanden am letzten Tag vor seiner Abreise im eigenen Dojo von «Sport – The Bridge» statt. Eine Sportleiterin, drei Sportleiter und 22 Jugendliche, die bereits seit einiger Zeit im Klubsystem trainieren, erreichten erfolgreich die Stufen zum Orange-, Grün- oder Blaugurt. Ich freute mich über dieses Resultat und konnte miterleben, wie es die Motivation aller Teilnehmenden verstärkte. Das Ereignis ist ein wichtiger Schritt in der fachlichen Entwicklung der geplanten Erweiterung des Programms. In den folgenden zwei Wochen führten Aklilu und ich den Unterricht weiter, damit die neu gradierten Karatekas den erworbenen Stoff vertiefen und festigen konnten.
Ein weiterer Höhepunkt war die Durchführung eines dreitägigen Seminars für Trainerinnen und Trainer des Äthiopischen Karateverbandes. Dieser erste Event markierte den Beginn der angestrebten Zusammenarbeit zwischen «Sport – The Bridge» und dem offiziellen Landesverband. Mit Aklilus und meiner Unterstützung stellte Erik Trainingsmethoden des modernen Wettkampfkarate vor. Die Seminarteilnehmer des Verbandes waren begeistert von den Informationen und es wurde einstimmig beschlossen, dass die Kooperation zwischen den zwei Institutionen in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden soll. Für mich war dieser Einsatz eine Bereicherung: Wir konnten Know-how nach Addis bringen und im Gegenzug viele kostbare Erfahrungen machen. So wurde Kampfkunst für mich zu einer kulturübergreifenden Brücke zwischen mir und den Menschen, denen ich in dieser faszinierenden Kultur begegnet bin.