Vor einigen Wochen hat nach äthiopischer Zeitrechnung das neue Jahr (hier 2006) angefangen. Für die Kinder in Addis Abeba bedeutet dies, dass sie nach längeren Ferien während der Regenzeit wieder zur Schule gehen. Für Sport – The Bridge bedeutet dies, dass neue Kinder für das Programm gesucht werden und somit ein neues Arbeitsjahr beginnt. Und für uns beiden Praktikantinnen bedeutet dies, dass wir das Ankommen der neuen Kinder und deren Einstieg ins Programm hautnah miterleben dürfen.
Jeweils zwei MitarbeiterInnen (eine Person vom Family- und eine vom Sport- Department) und zwei Volontäre (die früher selber auf der Strasse lebten und dank Sport – The Bridge nun ein eigenes Zuhause haben) machen sich jeweils frühmorgens auf den Weg, neue Kinder zum Mitmachen im Projekt einzuladen. Am frühen Morgen ist die Chance gross, dass nicht fälschlicherweise auch andere Kinder, die zwar auf der Strasse spielen, aber nicht dort leben, zum Mitmachen animiert werden. Das Motivieren der Kinder scheint nicht sonderlich schwierig zu sein. Jeden Tag kommen ein paar neue Kinder aufs Gelände von STB, wo sie sich jeweils neugierig umsehen und dann voller Freude beim angebotenen Programm mitmachen. Die „Verwandlung“ der neu ankommenden Kinder vom dreckigen, von den Erlebnissen der Strasse gezeichneten Strassenjunge zum sauberen Fussballteammitglied und Memory-Profi erstaunt uns jedes Mal aufs Neue.
Mittlerweile sind ungefähr 20 Knaben jeden Tag im Projekt dabei. Da der Sportplatz Jan Meda im Moment nicht benützt werden kann, haben sich die Verantwortlichen dafür entschieden, es erst einmal bei dieser Anzahl an Kindern zu belassen, bis das Platzproblem gelöst ist.
Die Mitarbeitenden des Family-Departments sind momentan dabei, die Kinder zu ihrem Leben auf der Strasse und den Gründen dafür zu befragen und erhalten breitwillig Auskunft zu Schlafplatz, ihren grössten Wünschen und dem Kontakt zu ihren Familien. Die Gründe, warum die Kinder auf der Strasse leben, sind sehr unterschiedlich. Ein Junge musste zu Hause auf dem Land die Schafe und Kühe hüten und erhielt zu wenig Essen und ging deshalb nach Addis. Ein anderer wurde nach der Trennung der Eltern der neuen Partnerin des Vaters verschwiegen und von ihm auf die Strasse geschickt. Andere Kinder wurden zu Hause geschlagen oder wurden nach Addis geschickt, um Geld für die Familie zu verdienen.
So traurig die Schicksale der Kinder sind, beim Spielen und Arbeiten mit ihnen merkt man nicht viel davon. Sie machen begeistert mit, sind freundlich und aufgestellt. Untereinander muss die Rangordnung jedoch ab und zu mit kleinen Kämpfen ausgemacht werden.
Wir sind froh, scheinen sich die Kinder gut eingelebt zu haben, freuen uns ab ihren Fortschritten und Talenten und hoffen, dass für jedes von ihnen im Verlauf dieses Jahres eine gute Lösung für ihr weiteres Leben gefunden werden kann.
Anna & Madeleine, Ende Oktober 2013