Abend der Begegnungen von Pernova und Inside Travel: Projektbesuch Sport – The Bridge verbunden mit einer Reise nach Äthiopien

Gerne möchten wir auf einen interessanten Anlass unserer Partnerorganisationen Pernova und Inisde Travel aufmerksam machen und diesen wärmstens empfehlen.

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Sport – The Bridge hat über das eigentliche Projekt hinaus einiges ausgelöst: 2012 ist aus der Idee eines Süd-Süd Transfers von Wissen  das Projekt “Connect” des Vereins Pernova entstanden, bei welchem Mitglieder von Sport – The Bridge in Äthiopien ihre Erfahrungen nach Bangladesch tragen konnten. Und ein Jahr später hat “Inside Travel” angefangen, Begegnungsreisen nach Äthiopien zu organisieren, bei denen Reisende, die unter die touristische Oberfläche schauen wollen, regelmässig bei Sport – The Bridge etwas über die Realitäten von Strassenkindern in Addis Abeba erfahren.

Nun kommen diese beiden Ideen neu zusammen: Pernova und Inside Travel laden am Donnerstag, 15.3. um 18:30h ein zu einem spannenden Abend der Begegnung zwischen Äthiopien und Bangladesch. Der Anlass findet statt bei: ZIHLER Social Development, Lorrainestrasse 6a, 3013 Bern.

  • Wollen Sie mehr über Connect und die Erfahrungen in Austausch zwischen Äthiopien und Bangladesch erfahren?
  • Möchten Sie das Konzept einer Begegnungsreise kennenlernen oder interessieren Sie sich für die nächste, etwas andere Reise nach Äthiopien mit einem speziellen Schwerpunkt “Kaffee” (3. bis 16. November 2018, Programm siehe Link unten)?
  • Oder möchten Sie ganz einfach eine äthiopische Kaffeezeremonie erleben oder Tee aus Bangladesch geniessen?

Dann sind Sie ganz herzlich willkommen bei der Veranstaltung von Pernova und Inside Travel in der Lorraine in Bern!

Plakat Informationsveranstaltung

Programm Connect-Reise nach Äthiopien

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Ich male ein Haus, weil ich selber keines habe…

Beitrag von Sandra Nast, August 2017

Erzählungen aus meinem einmonatigen Einsatz bei Sport – The Bridge (STB) in Addis Abeba

Mit einem herzlich-heiteren «Salam nu» begrüsste mich der STB-Sozialarbeiter Temesgen am Flughafen in Addis Abeba. Es ist mein erster Besuch in Äthiopien. Die Gerüche, Farben, Menschen – alles kommt mir noch etwas fremd vor. Während der Fahrt zu meinem Guest House erzählt mir Temesgen viel Spannendes über seine Kultur und lehrt mich die wichtigsten Sätze auf Amharisch. Immer noch etwas schlaftrunken vom Flug lausche ich seinen spannenden Erzählungen und gleichzeitig schweift mein Blick immer wieder aus dem Fenster auf das aufwachende Addis Abeba – eine afrikanische Millionenstadt, die ich mir doch so ganz anders vorgestellt habe. Es ist 6.00 Uhr in der Früh und die Strassen füllen sich bereits mit Menschen, mit Tausenden von Menschen. Geschäftig huschen sie über die Strassen, die Märkte werden aufgebaut, dazwischen ertönt immer wieder das Hupen der überfüllten Minibus-Taxis, deren Zielorte lauthals in die staubige Morgenluft geschrien werden. Addis Abeba wirkt auf mich wie ein Magnet, ein trügerisches Bild, das so auch viele Tausende äthiopische Kinder hierhin zieht auf der Flucht vor Armutsproblemen und mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Dies ist auch die Geschichte einiger der Kinder bei Sport – The Bridge.

Die Herzlichkeit der STB-Mitarbeitenden und ihr tagtäglicher Einsatz für die Strassenkinder beeindrucken mich vom ersten Tag an. Sie alle arbeiten mit viel Herzblut und Engagement, um den Kindern einen geregelten Tagesablauf zu ermöglichen und sie mittels Sport und Spiel, zurück in ihre Familien, in die öffentliche Schule und in die Gesellschaft zu integrieren.

Dank der Programm Managerinnen Lyliana und Fikirte, dem Programm Koordinator Leoul und der Unterstützung aller Mitarbeitenden fühle ich mich im STB-Team von Anfang an wohl und gut aufgehoben. Das Ziel meines Einsatzes umfasst zwei Teile: einerseits geht es darum Workshops mit den Mitarbeitenden zu bedürfnisorientiertem Unterrichten durchzuführen, andererseits den Strassenkindern kreatives Arbeiten näher zu bringen und gleichzeitig Fertigkeiten zu lehren, mit denen sie vielleicht später sogar ihren Lebensunterhalt mitverdienen können.

Workshops mit Mitarbeitenden

Neben dem STB-Fokus, dem sportpädagogischen KRAFT-Modell (Vormittag), besuchen die Strassenkinder am Nachmittag abwechselnd die Fächer Amharisch, Englisch, Mathematik oder Gesundheit. Trotz der Einteilung in zwei Niveau-Gruppen stehen die Lehrpersonen vor der grossen Herausforderung der Heterogenität der Klassen (unterschiedliche Schulbildung, Muttersprachen – nicht alle sprechen Amharisch, Alter, Krankheiten, psychische Belastungen, Leim schnüffeln, etc.). Zudem sind die Kinder oft sehr müde, da sie in der Nacht auf der Strasse kaum schlafen (Addis Abeba liegt auf 2400 m.ü.M. und es wird bitterkalt in der Nacht). Sie können sich daher nur schwer konzentrieren und lange stillsitzen. Hinzu kommen die begrenzten finanziellen Mittel von STB für Unterrichtsmaterialien. Die Ziele der Workshops waren daher der Wissensaustausch zu pädagogischen Methoden, das Eruieren der tatsächlichen Bedürfnisse in Bezug auf die aktuelle Lebenssituation der Kinder und schliesslich auch die Mitarbeitenden zu motivieren Neues auszuprobieren. Beeindruckend für mich war mit welch grossem Einsatz, Wille und welcher Kreativität die STB-Mitarbeiter sich stetig weiterentwickeln möchten, um die Kinder noch besser in ihrer jeweiligen Lebenssituation zu unterstützen und fördern.

Mal- und Bastelunterricht mit Strassenkindern

Jeweils am Morgen vor dem Fussball und nach dem Mittagessen können die Kinder im kleinen Kunstraum auf dem STB-Compound ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Neben dem Spassfaktor steht das Erlernen von neuen Fertigkeiten im Vordergrund. Das Lieblingssujet der Kinder beim freien Malen waren die Flagge von Äthiopien oder ihres jeweiligen Stammes oder aber Häuser, was mir eher ein Rätsel war. Auf Nachfrage haben die Kinder dann erzählt, dass sie gerne Häuser malen, da sie ja kein eigenes haben. Erschreckend und nachvollziehbar zugleich! In den nächsten vier Wochen haben wir mit Farbstiften und Wasserfarben gemalt, bunte Scherenschnitte gemacht, Schweissbänder fürs Fussballspielen gehäkelt, Behälter aus alten PET-Flaschen und Toilettenrollen gebastelt, ein 50 Meter langes Seil mit bunt bemalten Flaggen fürs Fussballfeld kreiert und Armbänder geknüpft – das absolute Highlight für die Kids! Die selbstgemachten Armbänder (am liebsten in grün, gelb, rot, den Farben der äthiopischen Flagge) erfüllten die Kinder mit Stolz. Viele wurden auch verschenkt, was mich zutiefst beeindruckte. Denn obwohl sie nichts ausser den Kleidern am Leib besitzen, nimmt «Teilen» einen grossen Stellenwert in ihrem Umgang mit anderen ein. Diese Erkenntnis, die lachenden Kinderaugen und die Fröhlichkeit, die trotz der harten Lebensumstände in den vier Wänden des Kunstzimmers herrschten waren mein ganz persönliches Highlight.

«Amasegenalhu»– ein riesengrosses Dankeschön an Sport – The Bridge für diese einmalige Chance und lebensbereichernde Erfahrung! Und auf Wiedersehen Äthiopien, ich komme ganz bestimmt wieder!

Kleiner Aufruf: STB braucht Farbstifte! Habt ihr zuhause Farbstifte rumliegen, die ihr nicht mehr braucht? Dann meldet euch bei info@sportthebridge.ch – es ist zwar kaum zu glauben, aber gute Farbstifte in Äthiopien zu finden, gleicht einem Ding der Unmöglichkeit.

 

Challenges of Countryside Integration

Article from Lilyana Ahmed, Program Manager STB Ethiopia

It is a significant change in the history of Sport –The Bridge (STB) Ethiopia to see the rising number of street children who come from various regions of Ethiopia in search of a better life in Addis Ababa. In 2006 out of 35 participants there were about 5 from outside Addis. Today, after 10 years, it is the reverse: only 5 out of 35 do not come from outside. Since 2012 STB has reintegrated every year – within the program-cycle going from October to September – between 30 and 45 children into different parts of the country. Although no issue-related institution did a research, all of the organizations working with street-children agree that this time there are not many children from Addis Ababa found living on the street. At least they seem to be organized differently while still being affected by other poverty related causes. As a consequence of these developments STB started working more and more with street children from countryside areas and focusing on uniting them with their families.

Children at STB-Ethiopia, who came from the south to the capital in search of a better life

Children at STB-Ethiopia, who came from the south to the capital in search of a better life

Interventions in the work with street children need follow-ups because it is a reality that issues of relapsing occur very often, especially in combination with drug abuse or mental disorders. In Addis Ababa STB has put in place an effective follow-up system to maintain and support the process of re-socialization of the reintegrated children at home, at the school and in the community. However, when it comes to children who are reintegrated with their family outside of Addis Ababa the follow up work is more difficult because of the distance. There are some big challenges we face every time:

 

  • When children repeatedly come to Addis to live on the street, our social workers cannot intervene quickly enough to bring the children back to their home because of issues of geographical distance.
  • Every child decides the time of being reintegrated to the countryside whenever he or she is ready. So, it may be odd or even impossible to enroll these kids into school during the reintegration (depending on the beginning and time of the school year). Regarding the time resources the question arises how it can be managed efficiently to register these children for school.
  • Normally, when there are parents of the street children who need support for generating income, STB can provide that support, but because of the distance, it is difficult to involve parents in income-generating activities. It is difficult to ensure support with a sustainable effect. This is why drop-outs occur most likely when parents or legal guardians are having income problems.

As mentioned, for five years STB has brought back between 30 and 45 street children to their families in countryside areas. Although it is difficult to estimate how many of them have come back to Addis Ababa, it should be less than 50% on average – at least we do not encounter more returned children.

The numbers for 2016 are satisfying so far: from 44 reintegrated children only 3 came back to Addis Ababa and one of them already went back home again, with the support of his older brother.

STB is working on establishing a system, which should be effective and can be put into practice within the given framework. What we are already doing today: Almost all of our beneficiaries – even from rural areas – have a mobile phone, or have at least access to one, which was not the case some years ago. So, nowadays, we make regular phone calls to the person who is responsible for taking care of the child. We are also planning to implement this callback system with the responsible government office and with the schoolteachers of the integrated children. This activity helps us to check the situation of each child from a distance and to help solve problems before a child decides to go back to street-life.

The program managers of STB-Ethiopia (f.l.t.r): Lilyana Ahmed and Fikirte Shimelis

The program managers of STB-Ethiopia (f.l.t.r): Lilyana Ahmed and Fikirte Shimelis

Additionally STB is also planning to build up measures to prevent children from coming to Addis Ababa in the first place – always in the hope for a better life, while in most cases they unfortunately end up on the street. In the course of a pilot project STB has proved that it is possible and even very fruitful to work with relevant government offices, schools, and volunteers while dealing with this issue.

In future, working for children coming from other areas of Ethiopia will entail the following: support in obtaining school materials as well as providing awareness raising activities about problems related to street-life for parents, responsible government office workers, and whole communities.. The goal of this new type of prevention activity is to encourage and enable the community itself to take care of the young generation.

 

Organisationswandel im Programm von STB in Äthiopien

Seit Anbeginn waren die Mitarbeitenden des Strassenkinder-Programms von STB-Äthiopien in verschiedene Departemente aufgeteilt: Sport, Familienintegration, Gesundheit, Ernährung und Infrastruktur. Für die einzelnen Mitarbeitenden hatte die Tätigkeit innerhalb des eigenen Departementes Priorität. Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Departementen war mit der gegebenen Struktur stets herausfordernd und gelang trotz diversen Anpassungen nicht zufriedenstellend. Für Lilyana Ahmed und Fikirte Shimelis, das Managementteam von STB Äthiopien, war dies der Hauptgrund für den Anstoss zur Reorganisation und Optimierung des Programms.

Neu gibt es keine Departemente mehr, sondern Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Funktionen, die bereichsübergreifend tätig sind. Um die Organisation und Führung des täglichen Geschäfts im Rahmen dieser neuen Struktur sicherzustellen, wurde die Stelle des Programm-Koordinators geschaffen. Nach einem umfangreichen Selektionsverfahren wurde sie durch Leoulseged Kassahun besetzt, der sich hier auf dem STB-Blog näher vorstellt: http://blog.sportthebridge.ch/my-engagement-within-stb/. Seine Aufgabe besteht darin, die verschiedenen Projektentwicklungen und Prozessabläufe zu leiten. Dies umfasst einerseits die Führung des Betreuungsteams und andererseits die Koordination der Aktivitäten für die Kinder und Jugendlichen, welche Leistungen von STB empfangen. Das Managementteam konzentriert sich von nun an auf die Führung des gesamten Programms, die Administration, die Weiterentwicklung der Angebote und die Kommunikation gegen Aussen.

Diese neue Gliederung verschafft Klarheit in der Aufteilung der Kompetenzbereiche. Die Auflösung der Departements-Struktur und die Rolle von Leoulseged Kassahun ermöglichen mehr Flexibilität und Effizienz im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen. Auf diese Weise ist das Teamgefüge dynamischer und alle Teammitglieder können pädagogische Aufträge sowie mehr Verantwortung übernehmen. Mit geringem finanziellen Aufwand können die Leistungen für Strassenkinder sowie für armutsbetroffene Kinder und Jugendliche erweitert werden. Neu besteht der Bereich der Prävention, der die Zusammenarbeit mit öffentlichen Schulen vorantreibt und als neues Programm zur Stabilisierung von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen dient, damit diese gar nicht erst auf der Strasse landen. Zudem wird der Bereich der Existenzsicherung aufgebaut, dessen Angebote sich an Jugendliche richten, die ebenfalls auf der Strasse leben aber schon etwas älter sind. Auf diese Weise wird einer erweiterten Zielgruppe Unterstützung auf dem Weg in die finanzielle Selbstständigkeit als junge Erwachsene geboten. Die dafür vorgesehenen Massnahmen sind zurzeit noch in der Entwicklungsphase.

My Engagement within STB

Article from Leoulseged Kassahun (Program Coordinator of STB Ethiopia)

Leoulseged Kassahun

Leoulseged Kassahun

To begin with, I am Leoulseged Kassahun, born in Addis Ababa 32 years back, married and currently my wife is expecting our baby. I have an MA degree in Counseling Psychology from Addis Ababa University and have participated in many different long- and short-term job trainings. I’ve got twelve years of work experience, of which I was teaching five years. The remaining seven years I worked at different local and international NGO’s as a social worker, program manager and as an executive director for a local NGO working for impoverished elders. This was the organization and position I worked for before joining STB.

Actually I know STB since I was collecting data for my MA thesis four years ago. My topic was the prevalence of psycho-social problems and the coping strategies of street-children. For this I selected NGO’s working with street-children in Addis Ababa, such as STB. By the end of last year, four years later, I applied for the job announced as coordinator of the program. Before I was chosen among the other participants, I was called in for a written exam and an interview. The competition was actually not easy, but after all I liked the way we were examined by the management of STB.

To me STB is special regarding the use of sport as main tool to support the sustainable development of disadvantaged children and their families who are affected by streetism. The KRAFT-model is a unique teaching strategy, which can be adapted to a variety of beneficiaries.

My responsibilities within STB are coordinating all the activities of child, youth and family care team and planning, monitoring and coaching team-building processes. I believe that I can share my experience in developing further to more effective and efficient accomplishments. For this I want to focus on the team building spirit and create networks with likeminded organizations.

At this place I want to express my heartfelt thanks for having this opportunity to work for STB Ethiopia.

 

Leoulseged Kassahun

Program Coordinator Sport the Bridge, Ethiopia

Die sozialen Werte des Sports

 Saskia von Greyerz, August 2015

Seit mehr als zehn Jahren baut das Resozialisierungsprogramm für Strassenkinder in Äthiopien auf der sport-pädagogischen Methodik des KRAFT-Modells auf. Zeit, sich wieder einmal die Methode und deren Entwicklung etwas genauer anzuschauen.

Das KRAFT-Modell wurde vom Vereinsgründer Stephan Zihler entwickelt und steht in seinen einzelnen Buchstaben für „Körper, Regeln, Akzeptanz, Fairness und Team“. Das Ziel der Methodik ist es, Kindern gesellschaftlich akzeptierte Verhaltensformen (wieder) zu erlernen, die sie im rauen Alltag auf der Strasse abgelegt oder verlernt haben. Um eine nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe anbieten zu können, wird im Rahmen dieser Module ein realitätsnaher Bezug zum Alltag, die Flexibilität zur gesellschaftlichen Anpassung und die Möglichkeit zur Aktivierung des Klientel verlangt.

In den sportpädagogischen Lektionen innerhalb des Programms von STB in Äthiopien werden die Strassenkinder während einem Jahr fast täglich im Rahmen des KRAFT-Modells unterrichtet. Das Modell bietet in seinen fünf Bereichen eigens erarbeitete Spiel- und Trainingsformen an, welche in einem spielerischen Rahmen soziale Werte vermitteln. Diese ermöglichen es den Sportlehrerinnen und Sportlehrer, im Anschluss an jede Lektion, mit den Kindern und Jugendlichen den Transfer zum Alltag, zu den gesellschaftlichen Bedingungen und zu ihren individuellen Situationen zu schaffen.

Gruppengespräch nach einer KRAFT-Lektion

Gruppengespräch nach einer KRAFT-Übung

Diese Transfergespräche sind der zentrale Aspekt dieser Methode, weil durch sie eine Reflexion und somit eine Vertiefung des Erlebten stattfindet und die Entwicklung der persönlichen, inneren Haltung jedes Einzelnen unterstützt werden kann.

Während den letzten Jahren wurde das Modell laufend angepasst und wird innerhalb des Re-sozialisierungsprozesses von STB aktuell von vier Sportlehrerinnen und Sportlehrern angewendet.Tamiru, ein Sportlehrer von STB Äthiopien, stellt dabei fest: „Das KRAFT-Modell ist nicht mehr das, was es vor zehn Jahren einmal war. Die Struktur blieb erhalten, der Inhalt wird jedoch stetig und auf vielfältige Weise den verändernden Bedingungen angepasst und bedarfsorientiert weiterentwickelt.“

KRAFT-Lektion auf dem Trainingsgelände in Addis Abeba (Äthiopien)

KRAFT-Lektion auf dem Trainingsgelände in Addis Abeba (Äthiopien)

Als exemplarisches Beispiel erzählt er von einer aktuellen Adaption des Modells: Bereits Ende 2014 häuften sich Fälle, in denen Strassenkinder aus Addis Abeba einen neuen und sehr schädlichen Schuhleim schnüffelten. Dieser Leim ist in seiner Wirkung gefährlicher als die bisherigen Leime, weil er es ermöglicht, Emotionen stärker zu betäuben – bis hin zur Besinnungslosigkeit. Tamiru stellte mit grosser Sorge fest, dass durch die Konsumation des Schuhleimes die Zusammenarbeit mit den Kindern noch mehr erschwert wird und entschied sich deshalb im Januar 2015 das Modul „Körper“ zu erweitern und um eine Woche zu verlängern, um die Problematik zu vertiefen. Dabei setzte er in pädagogisch inszenierten Sportlektionen den Fokus auf den eigenen Körper, auf den Nutzen und die Gefahren von körperschädlichen Substanzen und führte zudem wichtige Transfergespräche, welche das Erlebte fassbarer machten und darauf hinzielten, Kraft aus sich selber zu schöpfen.

Tamiru (links) erklärt seinen Schülern eine KRAFT-Übung, Januar 2015

Tamiru (links) erklärt seinen Schülern eine KRAFT-Übung

Welche Bedeutung das KRAFT-Modell für die tägliche Arbeit im Projekt hat, erklärt Tamiru folgendermassen: „Das Modell, wie es uns Stephan Zihler gelehrt hat, soll im Kern der Arbeit flexibel bleiben, um so den Umständen gemäss reagieren zu können. Das Modell erlaubt es uns, die Arbeit den aktuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen entsprechend zu adaptieren und weiter zu entwickeln. Nur so kann eine nachhaltige Resozialisierung angestrebt werden, die stets im Wohle der Kinder agiert.“

Weitere Eindrücke von KRAFT-Lektionen im Programm von STB Äthiopien:

(Bilder von Lisa Meyer und Aurelia Golowin, Januar 2015)

The story about Melaku*, his process and the daily work in Sport – The Bridge

Beitrag von Céline Nadine Michel

I would like to visualize the work with street children, the difficulties, challenges, the future of them and the satisfaction of the work from the employees. All presents it by a biographic story from our street child Melaku who had been well reintegrated to his family in February 2015.

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Some personal dates about Melaku

Age: 13 years old

Family: Parents are alive, 2 brothers and 2 sisters

Place of residence: Harar

Duration of stay in Addis: Since 2012

Melaku lived three years alone on the street of Addis Abeba, he travelled to the city by mini bus, without any knowledge about Addis Abeba. He imagined a better life in the city than in his countryside region. Unfortunately the challenges started as soon as he arrived: no living place, any support from adults, just him-self and the street. So, he started to get in touch with other street children and he made some contacts, as well he got some bad influences from them. Melaku started Glue sniffing to protect himself from the coldness of the nights and to forget everything.

Two years ago his life changed, a Sport – The Bridge Staff worker picked Melaku up on the street and he started to join the project from Sport The Bridge.

Some statements from the Staff workers about the beginning challenges with Melaku

“Attention deficient, as a result of drug intoxication. Resistance in the form of being absent, coming late to the counseling sessions.” (Health Department Psychologist Lastawusih)

“Melaku did Glue sniffing throw the night so he did not sleep, the consequences on the Compound were, that he slept the whole day long. Especially on Monday he could not participate our hygiene program, for example when we negotiate him to wash his own clothes, he started to sleep on it.” (Health Department Nurse Sister Aselefech)

“To settle a goal with Melaku was very difficult, he did not attend our appointments and he could not express how his future could look like.” (Family Department Daniel)

General difficulties of the work with streetchildren from different aspects and Department workers

“The biggest challenge to work with street children is to get their trust and so that they don’t drop out from our Project after some days. Our main goal on the sportsfield is to teach them the KRAFT Module, we expect from our children a lot of concentration when we have our discussion times, for every child it is at the beginning very difficult to pay attention, to stay calm and as well to teach how important the positive behaviors are. The last difficulty after the reintegration to their family is, that they follow their families rules and not going back to the street of Addis again.” (Sport Department Teacher Girmay)

“Sometimes it is a challenge to cook for street children because you never know how many are coming to the Compound, we need to calculate everyday for how many people we should cook. There are the staff workers who are eating on the Compound, the street children, the street kids who are sick and need food for the evening and as well we are sometimes giving food out for our follow up children.” (Nutrition Department Elsa)

How Melakus process changed into a positive way

At the beginning of the work with Melaku it took everybody of the Staff workers a lot of energy, to get in touch with him, to get his trust and to show him better possibilities of life. The duration to reach the point of the reintegration was almost two years. A big process happened when Melaku came one day to the Compound with a hematoma on his head. Somebody on the street hit him by a stone. So there was a need to handle and Melaku had been treaten by medication. The decision from Sister was to put Melaku to the Shelter (a place away from the street where the sick child can recover). From now on, Melaku took everyday his medicine and he was away from the Glue, his physical and psychological health condition changed immediately. He started to follow the schedule of the Compound, he did not sleep anymore during Compound time and he could follow the program.

“One of Melakus strengths: He had a relatively strong perceived self-efficacy.” (Health Department Psychologist Lastawusih)

“He started to look strong for playing, he started to participate on daily hygiene program, his face looked happy, he could smile for some whiles, as well he went to eat without any disturbing.” (Health Departement Sister Aselefech)

“At eating time suddenly Melaku`s behavior for disturbing changed, he ate in a silent way and enjoyed his food. When he took Glue I could observe he had no interest for food even no appetite.” (Nutrition Department Elsa)

“I observed a physical process from Melaku on the Sport field as soon as he was clean from Glue and he slept in the Shelter, he started to be active and very strong on the sports field he was able to follow our sport activities”. (Sport Department Teacher Girmay)

“Melaku was suddenly interested in joining the meetings we had together and we could start to settle a goal for his future.” (Family Department Daniel)

February 2015, Melaku expressed the wish for going home

So, there is now the last step to do for the Staff workers, the Family Department workers planned the trip to Harar, Harar is 250 km away from Addis Abeba, for bringing Melaku back home to his mother, to his family and his social network.

Melakus Feedbacks about the Sport – The Bridge Project

“The reason for me to stop Glue sniffing is: I know now the side effects from it. My favorite lesions in the Sport – The Bridge project were Karate and painting. I can say, I learned from the sportsfield a lot about acceptance. For me the Shelter was a place to recover and have time for myself and at the end to get away from Glue. I am excited for going home, to see my siblings and family. “

About the reintegration in the view from the Family Department workers

“The reintegration with Melaku was good but also challenging, the kid was joining our project two years long, we could observe many behavioral problems and he was not able to tell us properly his family situation as well we did not know his address. There was no other option for us than to go to Harar and check the situation. When we arrived we were not able to find his mother, but as soon as we found her, we recognized that she was living with some other individuals and also she does not have any job, she lead her life by begging on the street. Then we were fried to convince the owner of a home to give them the chance to start a new life with their own home. Because in this situation, the mother was living as well on the street there was no possibility to reintegrate Melaku. Our solution was, to take them to the Kebele (which is the government office), there we have been told as soon as they get an identification card, they can rent a home. But without starting capital there is no hope, many phone calls we needed to help them and at the end we covered their rent for the next 6months and we bought for them some necessary materials like blankets, mattress, dishes and so on. For the future we were tried to advise his mother to start working to support her child and also herself. At the end the government gave us a positive response and they will help them for the future even for the rent as well for starting a little business.“ (Family Department Daniel and Syatayehu)

My wishes for Melaku

“Many things which are positive are all my wishes. For the short term: I wish to him to regain the strong positive relations with his family members and being able to stable at his home. I wish also his strengthen against rejection to the substance abuse. For the long term: I wish him to join formal school and enjoyed with the fruit of wisdom and knowledge, a competent and moderate person for others.“ (Health Department, Psychologist Lastawusih)

My satisfaction in my daily work

“I feel very happy if I see our street children with a smiling face and they are playing together and they can forget for some moments their challenges and their problems.“ (Health Department, Sister Aselefech).

“Since 14 years I am working for Sport The Bridge, I like and I choose the right profession for me, because the people are appreciate my cook, we do our best for a high quality, quantity and hygiene.“ (Nutrition Department, Elsa)

“When the children are feeling happy, we can support them to solve some problems, if they are satisfied with our service, that makes me satisfied and happy in my job.“ (Sport Department Girmay).

“The story about Melaku made us very happy, this is our daily work and this is one of the good examples which gave us mental satisfaction.“ (Family Department Daniel and Syatayehu)

Melaku

 

Die Geschichte von Sinta und ihrer Familie

Beitrag von Céline Nadine Michel

Vor 4 Jahren lebte Abel* als Strassenkind auf den Strassen von Addis Abeba. Er glaubte an ein besseres Leben auf der Strasse und entschied sich, seine Eltern und sein Zuhause zu verlassen. Bei der Rekrutierung durch die Mitarbeitenden von Sport – The Bridge wurde Abel auf der Strasse aufgefunden. Ein Jahr lang besuchte er täglich das Projekt von Sport – The Bridge und die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter konnten schlussendlich seine Schwester Sinta* ausfindig machen. Sport – The Bridge begleitete Sinta und Abel bei ihrer Wiederannäherung. Heute leben die beiden zusammen und meistern ihre täglichen Herausforderungen gemeinsam. Abel besucht die Schule und arbeitet nebenbei als Süssigkeitenverkäufer und trägt somit zum gemeinsamen Einkommen bei. Sinta hat bei Sport – The Bridge eine Arbeitsstelle gefunden. Sie kommt täglich auf den Compound, um beim Geschirrabwaschen zu helfen und verdient somit ihren Lebensunterhalt.

Ich habe Sinta hochschwanger kennengelernt. Trotz der bereits weit fortgeschrittenen Schwangerschaft kam sie jeden Tag auf den Compound, um zu arbeiten. Ich sah sie stets mit einem Strahlen auf dem Gesicht und sie hatte keine schwangerschaftsbedingten Beschwerden. Eines Tages wurde Sinta auf dem Compound vermisst und hatte sich bei niemandem abgemeldet. Deshalb rief Mesfin (ein Sozialarbeiter von Sport – The Bridge) Sinta besorgt an und wir erhielten die freudige Nachricht, dass sie Zwillingsmädchen geboren hatte. Alle seien wohlauf und sie werde bereits am nächsten Tag aus dem Spital entlassen. Mesfin vereinbarte mit Sinta, dass wir sie noch diese Woche besuchen durfen. Drei Tage später wurden wir von Abel auf dem Compound abgeholt und zu Sintas Wohnung begleitet. In einem kleinen, finsteren Raum mit einer Bank, einem Bett, einem kleinen Herd, umgeben von allen Nachbarskindern, der Besitzerin des Hauses und einer Katze, wurden Mesfin und ich äusserst liebevoll empfangen. Sinta sah ziemlich müde und erschöpft aus, hatte jedoch ein grosses Strahlen auf dem Gesicht sagte, dass sie überglücklich sei. Die beiden kleinen Mädchen, in ein dünnes Tuch eingewickelt, schliefen zufrieden neben ihrer Mutter. Wir überreichten unser Mitbringsel und teilten Sinta mit, dass Sport – The Bridge die Wohnungsmiete für die nächsten drei Monate übernimmt. Voller Dankbarkeit wurden Mesfin und ich mit Umarmungen überschüttet. Sinta bat uns, für die beiden Mädchen Namen zu wählen – aus Wertschätzung für unsere Geschenke. Wir wählten zwei schöne Namen aus. Die Erstgeborene machte einen guten, vifen Eindruck und war auch sehr aufmerksam. Die Zweitgeborene war ein zartes und feines Persönchen, ihre Gelbsucht war deutlich erkennbar und sie machte einen schläfrigen Eindruck. Sinta erzählte mir, dass die kleinen zur Zeit noch sehr müde seien und sich selten meldeten, um an der Brust zu trinken. Desweiteren habe sie noch kaum eine Veränderung in ihrer Brust (Brustdrüsenschwellung/Milcheinschuss) verspürt, deshalb sei das Saugen an der Brust für die beiden noch sehr anstrengend. Sinta erzählte weiter, dass sie vor der Geburt keine Schwangerschaftsuntersuchungen hatte und es für sie eine riesengrosse Überraschung gewesen sei, dass sie Zwillinge geboren hat. Desweiteren wusste Sinta nicht, in welcher Schwangerschaftswoche die Kinder zur Welt gekommen sind.

Die Situation ging mir sehr nahe. Mir schwirrten alle Risiken, die bei einer Frühgeburt bestehen, im Kopf herum. Vor allem machte ich mir Sorgen um die Erstgeborene mit Gelbsucht. Zu meiner Beruhigung hat die Familie ein sehr gutes soziales Netz, sie werden fürsorglich von der Besitzerin des Hauses und von ihren Verwandten umsorgt. Leider ist der Vater der Kinder seit der Schwangerschaft verschwunden. Sinta ist äusserst dankbar für die Unterstützung der Sport – The Bridge-Mitarbeitenden und sie weiss, dass sie von ihnen jederzeit Hilfe anfordern kann.

Nach einer Weile verliessen wir die Familie, einerseits mit einem Glücksgefühl, andererseits voller Besorgnis um die Mädchen. Ich habe mit Mesfin vereinbart, dass wir in engem Kontakt bleiben und ich sie ein weiteres Mal besuchen werde. Mesfin rief bald darauf bei Sinta an und erfuhr, dass Sinta genügend Milch hat, die beiden Mädchen sich regelmässig zum Trinken melden und auch die Kleinere mehr Energie hat. Ich war äusserst erleichtert über die erfreuliche Nachricht.

Eine Woche später folgte bereits ein weiterer Besuch von Mesfin und mir und mein Eindruck von der Familie hat sich sehr verändert. Ich habe einige Untersuchungen sowohl bei der Mutter als auch bei den Mädchen vorgenommen. Ich konnte ein schönes und gesundes Mutter-Kind-Beziehungsbild erkennen. Ein strahlendes Mami, zwei frühgeborene Mädchen, welche bereits an Gewicht zugenommen haben, sich zum Trinken melden und mit viel Liebe und Hingabe von der gesamten Familie umsorgt werden, stimmen mich positiv.

Meine Denkweise hat sich seit der Geschichte von Sinta und ihrer Familie verändert. Das Urvertrauen in die Natur und in den Mutterinstinkt helfen dabei, dass die frühgeborenen Zwillinge gesund heranwachsen, auch ohne das sofortige Eingreifen in die Mutter-Kind-Beziehung von aussen.

Desweiteren möchte ich mit dieser Geschichte aufzeigen, dass die Unterstützung durch Sport – The Bridge neben den Strassenkindern auch deren Familien zugute kommt. Eine erfolgreiche Reintegration von Abel bei seiner Schwester kam dank Sport – The Bridge zustande. Die Arbeit von Sport – The Bridge ist weitgefächert und es benötigt sehr viel Engagement, Flexibilität und psychische Belastbarkeit der Mitarbeitenden, um viele unterschiedliche Geschichten verarbeiten zu können. Grossartige Arbeit wird hier vor Ort in Addis Abeba geleistet und ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, einen Einblick in dieses Projekt zu erhalten und meine helfende Hand anbieten darf.

*Aus Datenschutzgründen wurden die Name geändert.

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Informationsveranstaltung von Sport – The Bridge

Lyliana und Fikirte, die Programmmanagerinnen des Projekts «Äthiopien – Sport baut Brücken» haben am 28.4.2015 als Teil ihres 10-tägigen Aufenthalts in der Schweiz an einem Infoanlass im Goju Kan in Bern über ihre Arbeit vor Ort in Addis Abeba berichtet. Viele Interessierte haben den Weg ins Goju Kan gefunden und aufmerksam ihren Ausführungen gelauscht.

In Äthiopien gibt es zwischen 100’000 und 200’000 Strassenkinder, zirka 50’000 bis 60’000 davon leben in Addis Abeba. Etwa 70% dieser Kinder stammen von ausserhalb von Addis Abeba. Sie tauschen ihr Zuhause meistens aus Armutsgründen, wegen Drogenmissbrauch oder sexuellem Missbrauch gegen das Leben auf der Strasse aus. In Addis Abeba kümmern sich 4 NGOs um die Probleme der Strassenkinder. Nur Sport – The Bridge arbeitet mit einem sportpädagogischen Ansatz, anhand dessen sie den Kindern soziale Fertigkeiten beibringen, die sie brauchen, um sich in die Schule und die Familie zu reintegrieren. Dies ist auch einer der Punkte, weshalb Erik Golowin, der Gastgeber an diesem Abend und ein Unterstützer der ersten Stunde, von der Arbeit vor Ort begeistert ist.

Erik Golowin erzählt, warum er STB unterstützt

Die Sportpädagogik begleitet ihn schon das ganze Leben und stellt ebenfalls einen wichtigen Berührungspunkt mit dem Projekt dar. Erik war schon oft in Addis Abeba und ist immer wieder überwältigt von dem Blumenstrauss an Emotionen, den er dort durchlebt. Er betont, dass er von einem Äthiopienbesuch jeweils voller Energie in die Schweiz zurückkehrt. «Ich erhalte dort von den Menschen etwas, das nicht greifbar ist», meint er und berichtet von dem schwierigen Umgang mit der Armut und den schönen Begegungen mit den Menschen und den kulturellen Eigenheiten.

Die Besucherinnen und Besucher nutzen an diesem Abend die Gelegenheit, Fragen an Lyliana und Fikirte zu richten. Diese geben professionell Auskunft über die Rekrutierung der Kinder, die psychologische Betreuung, über den Umgang und die Aufarbeitung von Missbrauch an den Kindern und die Wiedereingliederung in die Familien.

Zudem schildern Lyliana und Fikirte an dem Beispiel von Bruke, wie mit den Kindern gearbeitet wird. Bruke kommt aus Südäthiopien und lebte auf den Strassen von Addis Abeba.

Wenn Bruke am Morgen auf den Compound von Sport – The Bridge kommt, wäscht er sein Gesicht und seine Hände, bevor es Frühstück gibt. Bruke muss sich zuerst wieder daran gewöhnen, Frühstück zu essen, weil er das gar nicht mehr kennt. Davor spielt er Ping-Pong und Volleyball. Nach dem Frühstück wechselt Bruke seine Strassenkleider gegen Sportkleider und macht sich mit den anderen Kindern und den Sportlehrern auf zum 5 Minuten entfernten Sportplatz. Nach einiger Zeit im Projekt entdeckt das medizinische Team, dass Bruke an Tuberkulose leidet und dringend medizinische Betreuung braucht. Das Team schlägt ihm deshalb vor, die notwendige 8-monatige Behandlung unter der Aufsicht von Sport – The Bridge zu machen und während dieser Zeit das Projekt zu besuchen. Bruke entscheidet sich aber dafür, nach Hause zu seiner Grossmutter zu gehen. Also kontaktieren die Mitarbeitenden seine Grossmutter, das Spital vor Ort und organisieren Brukes Behandlung sowie die Sicherstellung seiner Ernährung und entlassen Bruke in die Obhut seiner Familie.

Hinten: Foto von Bruke mit seiner Grossmutter

Hinten: Foto von Bruke mit seiner Grossmutter

Nach etwa zwei Monaten ist ein Sozialarbeiter von Sport – The Bridge vor Ort, um einen anderen Jungen in seine Familie zu integrieren. Bei diesem Anlass nimmt er die Gelegenheit war, um nach Bruke zu sehen. Er findet heraus, dass Bruke regelmässig Tej trinkt, ein äthiopisches alkoholhaltiges Getränk. Bruke kann aber überzeugt werden, dass das für seine Genesung nicht gut ist. Die Mitarbeitenden von Sport – The Bridge bleiben auch nach diesem Besuch in Kontakt mit Bruke und rufen seine Grossmutter an, um zu erfahren, wie es ihm geht. Bis jetzt scheint sich Bruke gut zu erholen und freut sich über den Erdnussbutter, den er durch Sport – The Bridge kennen- und lieben gelernt hat.

Wir freuen uns sehr, dass Lyliana und Fikirte eine gute und arbeitsintensive Zeit in der Schweiz verbracht haben und nun gut wieder zu Hause angekommen sind.

Behailus Geschichte und die Reintegration von Kindern aus ländlichen Gebieten Äthiopiens

Behailu (Bild der letztjährigen Broschüre)

Behailu (Bild der letztjährigen Broschüre)

In Äthiopien versuchen wir für jedes Kind individuelle, situationsgerechte Lösungen zu finden, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Der zunehmende Anteil von Strassenkindern in Addis Abeba, die aus ländlichen Gebieten Äthiopiens stammen, stellt uns diesbezüglich vor neue Herausforderung. Behailu (Bild rechts), der letztes Jahr in einer Broschüre von Sport – The Bridge porträtiert wurde, ist ein Beispiel dafür. Mit seiner Geschichte möchten wir die aktuellen Herausforderungen sowie allgemeine Schwierig-keiten in der Arbeit mit (Strassen)kindern aufzeigen.

Beitrag von Lilyana Ahmed, Thierry Graf und Aurelia Golowin

Hintergrund

Seit 2004 verfolgt Sport – The Bridge in Äthiopien mit dem Programm “Äthiopien – Sport baut Brücken” das Ziel der Reintegration von Strassenkindern in ihr familiäres Umfeld und die öffentliche Schule. Die maximal ein Jahr dauernde intensive Betreuung der Kinder durch unser Tagesprogramm (“Erstjahresprogramm”) stellt dabei nur den ersten Schritt dar. Die Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien werden weiterhin begleitet, um ihre neue Situation längerfristig zu stabilisieren und sie beim Meistern von alltäglichen Schwierigkeiten unterstützen zu können (“Follow-up Programm”). Für diesen Prozess ist die Zusammenarbeit mit dem familiären Umfeld ein zentrales Element, da die sozialen Umstände wichtige Einflussfaktoren für den nachhaltigen Erfolg der Integrationsarbeit darstellen.

Bedürfnisorientierter Ansatz

Zentraler Ansatz unserer Arbeit mit Strassenkindern in Äthiopien ist es, die Situation eines Kindes als Ganzes zu erfassen, um die konkreten Umstände zu verstehen und so individuelle, den Bedürfnissen jedes Kindes entsprechende Lösungen zu finden. Es existiert kein Patentrezept, um eine nachhaltige Resozialisierung zu verwirklichen, sondern es wird das methodische Ziel angestrebt, jeden Fall einzeln zu betrachten und Prozesse individuell zu gestalten. Dank den zahlreichen Erfahrungen der letzten 10 Jahre wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Massnahmen und Methoden entwickelt, die es ermöglichen, flexibel und wirkungsvoll auf einzelne Situationen einzugehen.

Veränderte Rahmenbedingungen

Seit einigen Jahren stellen wir in Addis Abeba einen zunehmenden Anteil von Strassenkindern fest, die ursprünglich aus anderen Regionen Äthiopiens stammen. Dazu gehören Kinder aus anderen Städten und solche aus ländlichen Gebieten, die ihre Familie mit der Hoffnung auf Erfolg, Reichtum, ein besseres Leben oder anderen Gründen verlassen haben und ihr Glück in Addis Abeba suchen. In der Hauptstadt angekommen, leben sie zu ihrem Schutz in einer Gruppe mit anderen Kindern und versuchen sich auf der Strasse durchzuschlagen. In Anbetracht dieser Veränderungen hat Sport – The Bridge ab 2010 das Erstjahresprogramm auch für Strassenkinder von ausserhalb zugänglich gemacht und dabei erste Erfahrungen sammeln können. In den letzten zwei Jahren hat sich der Anteil dieser Kinder so stark erhöht, dass im 2013 erstmals mehr Kinder durch Sport – The Bridge integriert wurden, die nicht aus Addis Abeba stammen.

Behailus Geschichte

Behailu, den wir in einer letztjährigen Broschüre porträtiert hatten, ist einer von ihnen. Er ist heute 11 Jahre alt und stammt aus der Stadt Hawassa, die rund 200 km von Addis Abeba entfernt ist. Nach dem Tod seiner Eltern machte er sich auf nach Addis Abeba, mit dem Ziel, seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen, da seine Grossmutter finanziell nicht mehr für ihn aufkommen konnte. Auf den Strassen Addis Abebas kam er in Kontakt mit Sport – The Bridge und entschied sich im November 2013 in das Erstjahresprogramm einzutreten, um auf diesem Weg das Leben auf der Strasse zu verlassen und zu seiner älteren Schwester nach Hawassa zurückzukehren. Behailu besuchte fortan das tägliche Programm. Mit der Schwester wurde telefonisch Kontakt aufgenommen und geplant, dass Behailu nach Beendigung des Erstjahresprogramms durch Mitarbeitende von Sport – The Bridge zu ihr gebracht werde. Es kam jedoch anders. Eine Bekannte von Behailu, die er von seiner Arbeit her – als Haushaltshilfe an den Wochenenden – kannte, hatte ihm ohne vorgängige Absprache mit Sport – The Bridge den Bus nach Hawassa bezahlt und ihm zusätzlich etwas Geld mitgegeben. Somit fuhr Behailu im August 2014 selbständig nach Hawassa und Sport – The Bridge wurde telefonisch von der Schwester darüber informiert, dass er nun bei ihr sei.

Behailu & Mitarbeiterin im Familiendepartement, Sintayehu Fikru (2014)

Behailu & Mitarbeiterin im Familiendepartement, Sintayehu Fikru (2014)

Obwohl Behailu gut von seiner Schwester und dem weiteren Umfeld empfangen wurde und ihm seine Schwester für die Regenzeit einen Platz in einer Übergangsschule organisiert hatte, um ihn auf das neue Schuljahr in der öffentlichen Schule vorzubereiten, war diese neue Situation nicht beständig. Rund zwei Monate später ging Behailu wieder von seiner Schwester weg und kehrte auf die Strassen von Addis Abeba zurück, wo er von den Mitarbeitenden von Sport – The Bridge gesehen und angesprochen wurde. Als Grund für seine Rückkehr zum Leben auf der Strasse gab er an, dass er seiner Schwester eine kleinere Menge Geld anvertraut habe, das sie gemäss ihren eigenen Angaben angeblich verloren hätte. Die zuständigen Mitarbeitenden interpretieren dies als unmittelbaren Vorwand, vermuten den wahren Grund jedoch darin, dass Behailu den Verlockungen des Lebens auf der Strasse nicht widerstehen konnte und bereits einen hohen Grad an Selbstständigkeit und Autonomie erreicht hatte. Obwohl Behailu gemäss eigenen Aussagen einsieht, dass das Leben bei seiner Schwester den Zugang zur Schule und einem geregelteren Leben ermöglicht, stellt es für ihn auch den mühsameren und anspruchsvolleren Weg dar als das Leben auf der Strasse. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der Einfluss und die Abhängigkeiten von Substanzen, wie z.B. das Schnüffeln von Leim, was bei Behailu der Fall ist. Obwohl er selber sagt, dass er in Zukunft wieder zu seiner Schwester zurückkehren möchte und ihm Sport – The Bridge dafür bereits mehrmals wieder Unterstützung angeboten hat, lebt Behailu heute nach wie vor auf den Strassen von Addis Abeba und ist bis heute (noch) nicht bei Sport – The Bridge aufgetaucht.

Neue Herausforderungen

Die veränderten Umstände auf den Strassen Addis Abebas stellt das Strassenkinder-Programm von Sport – The Bridge, welches ursprünglich auf Kinder aus Addis Abeba ausgerichtet war, vor neue Herausforderungen. Die Geschichte von Behailu zeigt exemplarisch auf, wo Handlungsbedarf besteht, um bestehende Prozesse zu optimieren und allenfalls neue Massnahmen auszuarbeiten. Im Vergleich mit den Kindern aus Addis Abeba können momentan für die Kinder von ausserhalb nicht dieselben umfassenden Leistungen angeboten werden. Einerseits kann mit Familien aus entfernteren Regionen nicht eng zusammengearbeitet werden, um sie in den Reintegrationsprozess zu involvieren und andererseits können die Kinder und Jugendlichen nicht von einer Nachbetreuung profitieren. Die Veränderungen in der Zusammensetzung der Zielgruppe stellen uns somit hinsichtlich der Ausrichtung und der Ausgestaltung der konkreten Leistungen unseres Programms vor offene Fragen: Wie kann in jedem Fall ein Austausch mit Familienangehörigen sichergestellt werden? Wie können diese Familien in den Resozialisierungsprozess einbezogen werden? Welche Möglichkeiten gibt es, auch den Kindern, die nicht aus Addis Abeba stammen, eine Nachbetreuung zu bieten? Auch hier gibt es keine Patentlösung, doch das Team in Äthiopien ist gewillt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Momentan werden erste Ideen gesammelt, um Massnahmen auszuarbeiten, so dass noch im 2015 Pilotprojekte starten können, die auch für diese Kinder eine vergleichbar nachhaltige Lösung anstreben, wie für diejenigen aus Addis Abeba.

Wir sind überzeugt, dass die langjährige Erfahrung und international hoch geschätzte Expertise des lokalen Teams eine hervorragende Ausgangslage darstellen, um sich dieser Herausforderung zu stellen.

Januar 2015