Ich male ein Haus, weil ich selber keines habe…

Beitrag von Sandra Nast, August 2017

Erzählungen aus meinem einmonatigen Einsatz bei Sport – The Bridge (STB) in Addis Abeba

Mit einem herzlich-heiteren «Salam nu» begrüsste mich der STB-Sozialarbeiter Temesgen am Flughafen in Addis Abeba. Es ist mein erster Besuch in Äthiopien. Die Gerüche, Farben, Menschen – alles kommt mir noch etwas fremd vor. Während der Fahrt zu meinem Guest House erzählt mir Temesgen viel Spannendes über seine Kultur und lehrt mich die wichtigsten Sätze auf Amharisch. Immer noch etwas schlaftrunken vom Flug lausche ich seinen spannenden Erzählungen und gleichzeitig schweift mein Blick immer wieder aus dem Fenster auf das aufwachende Addis Abeba – eine afrikanische Millionenstadt, die ich mir doch so ganz anders vorgestellt habe. Es ist 6.00 Uhr in der Früh und die Strassen füllen sich bereits mit Menschen, mit Tausenden von Menschen. Geschäftig huschen sie über die Strassen, die Märkte werden aufgebaut, dazwischen ertönt immer wieder das Hupen der überfüllten Minibus-Taxis, deren Zielorte lauthals in die staubige Morgenluft geschrien werden. Addis Abeba wirkt auf mich wie ein Magnet, ein trügerisches Bild, das so auch viele Tausende äthiopische Kinder hierhin zieht auf der Flucht vor Armutsproblemen und mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Dies ist auch die Geschichte einiger der Kinder bei Sport – The Bridge.

Die Herzlichkeit der STB-Mitarbeitenden und ihr tagtäglicher Einsatz für die Strassenkinder beeindrucken mich vom ersten Tag an. Sie alle arbeiten mit viel Herzblut und Engagement, um den Kindern einen geregelten Tagesablauf zu ermöglichen und sie mittels Sport und Spiel, zurück in ihre Familien, in die öffentliche Schule und in die Gesellschaft zu integrieren.

Dank der Programm Managerinnen Lyliana und Fikirte, dem Programm Koordinator Leoul und der Unterstützung aller Mitarbeitenden fühle ich mich im STB-Team von Anfang an wohl und gut aufgehoben. Das Ziel meines Einsatzes umfasst zwei Teile: einerseits geht es darum Workshops mit den Mitarbeitenden zu bedürfnisorientiertem Unterrichten durchzuführen, andererseits den Strassenkindern kreatives Arbeiten näher zu bringen und gleichzeitig Fertigkeiten zu lehren, mit denen sie vielleicht später sogar ihren Lebensunterhalt mitverdienen können.

Workshops mit Mitarbeitenden

Neben dem STB-Fokus, dem sportpädagogischen KRAFT-Modell (Vormittag), besuchen die Strassenkinder am Nachmittag abwechselnd die Fächer Amharisch, Englisch, Mathematik oder Gesundheit. Trotz der Einteilung in zwei Niveau-Gruppen stehen die Lehrpersonen vor der grossen Herausforderung der Heterogenität der Klassen (unterschiedliche Schulbildung, Muttersprachen – nicht alle sprechen Amharisch, Alter, Krankheiten, psychische Belastungen, Leim schnüffeln, etc.). Zudem sind die Kinder oft sehr müde, da sie in der Nacht auf der Strasse kaum schlafen (Addis Abeba liegt auf 2400 m.ü.M. und es wird bitterkalt in der Nacht). Sie können sich daher nur schwer konzentrieren und lange stillsitzen. Hinzu kommen die begrenzten finanziellen Mittel von STB für Unterrichtsmaterialien. Die Ziele der Workshops waren daher der Wissensaustausch zu pädagogischen Methoden, das Eruieren der tatsächlichen Bedürfnisse in Bezug auf die aktuelle Lebenssituation der Kinder und schliesslich auch die Mitarbeitenden zu motivieren Neues auszuprobieren. Beeindruckend für mich war mit welch grossem Einsatz, Wille und welcher Kreativität die STB-Mitarbeiter sich stetig weiterentwickeln möchten, um die Kinder noch besser in ihrer jeweiligen Lebenssituation zu unterstützen und fördern.

Mal- und Bastelunterricht mit Strassenkindern

Jeweils am Morgen vor dem Fussball und nach dem Mittagessen können die Kinder im kleinen Kunstraum auf dem STB-Compound ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Neben dem Spassfaktor steht das Erlernen von neuen Fertigkeiten im Vordergrund. Das Lieblingssujet der Kinder beim freien Malen waren die Flagge von Äthiopien oder ihres jeweiligen Stammes oder aber Häuser, was mir eher ein Rätsel war. Auf Nachfrage haben die Kinder dann erzählt, dass sie gerne Häuser malen, da sie ja kein eigenes haben. Erschreckend und nachvollziehbar zugleich! In den nächsten vier Wochen haben wir mit Farbstiften und Wasserfarben gemalt, bunte Scherenschnitte gemacht, Schweissbänder fürs Fussballspielen gehäkelt, Behälter aus alten PET-Flaschen und Toilettenrollen gebastelt, ein 50 Meter langes Seil mit bunt bemalten Flaggen fürs Fussballfeld kreiert und Armbänder geknüpft – das absolute Highlight für die Kids! Die selbstgemachten Armbänder (am liebsten in grün, gelb, rot, den Farben der äthiopischen Flagge) erfüllten die Kinder mit Stolz. Viele wurden auch verschenkt, was mich zutiefst beeindruckte. Denn obwohl sie nichts ausser den Kleidern am Leib besitzen, nimmt «Teilen» einen grossen Stellenwert in ihrem Umgang mit anderen ein. Diese Erkenntnis, die lachenden Kinderaugen und die Fröhlichkeit, die trotz der harten Lebensumstände in den vier Wänden des Kunstzimmers herrschten waren mein ganz persönliches Highlight.

«Amasegenalhu»– ein riesengrosses Dankeschön an Sport – The Bridge für diese einmalige Chance und lebensbereichernde Erfahrung! Und auf Wiedersehen Äthiopien, ich komme ganz bestimmt wieder!

Kleiner Aufruf: STB braucht Farbstifte! Habt ihr zuhause Farbstifte rumliegen, die ihr nicht mehr braucht? Dann meldet euch bei info@sportthebridge.ch – es ist zwar kaum zu glauben, aber gute Farbstifte in Äthiopien zu finden, gleicht einem Ding der Unmöglichkeit.

 

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